Re-Use Quartiershaus Mannheim

Re-Use Quartiershaus Mannheim

Wettbewerbsbeitrag 3. Preis

Im Saloon am Wingertsbuckel soll zukünftig das pure Quartierleben pulsieren. Als Brückenbauer und Treffpunkt für alle schafft das Gebäude die Verbindung von Altem und Neuem im Stadtteil. Das Gebäude selbst ist als nutzungsoffenes Regal gedacht. Drei Räume unterschiedlicher Größe können je Geschoss flexibel miteinander verknüpft werden. Kompakte Bauweise, ungeheizte Erschließung und Wiederverwendung von Bauteilen sparen beim Bau und Betrieb besonders viel klimaschädliches CO2 bei gleichzeitiger Ausbildung eines identitätsstiftenden Leuchtturms an der Hauptstraße.

+ EIN BRÜCKENBAUER

Wo heute noch eine Lücke zwischen zwei Gebäuden klafft, pulsiert bald das pure Quartiersleben. Zwischen alter Kaserne und neuem Parkhaus entsteht der SALOON am Wingertsbuckel als ein auf vielfältige Weise verbindendes Bauwerk. Es markiert einen neuen Schnittpunkt zwischen Feudenheim und Spinelli, fungiert als Vermittler inmitten seiner Nachbarn zwischen Alt und Neu und baut die Brücke für Gewerbe und Wohnen. Im besten Sinne kann man von einem Botschafter für ein Zusammenleben sprechen, dass das Gemeinsame in den Mittelpunkt rückt. Als Grenzgänger befindet sich der Bau auf dem südlichen Teil der heutigen Freifläche. Damit präsentiert sich der Bau mit einladenden Gestalt der Öffentlichkeit an der Hauptverkehrsstraße und spendet gleichzeitig dem dahinterliegenden Quaritiersplatz eine behagliche Atmosphäre. Mit schlankem Fußabdruck ist die Durchwegung beidseitig des SALOON nicht nur bequem möglich, sondern ausdrücklich erwünscht.

+ TREFFPUNKT FÜR ALLE

Die längliche Geometrie ist seinen beiden Nachbarn entlehnt, zwischen denen das neue Bauwerk charmant vermittelt. Zeitgenössiches kubisches Bauvolumen in industriellem Gewand trifft hier auf moderne Interpretation des historischen Satteldach. Eine Melanche, die das Beste aus beiden Welten der Anrainer vereint. Das Gebäude öffnet sich nach Norden und Süden und lädt mit seinen „hängenden Gärten“ zum erkunden ein. Die öffentlichen Räume ziehen sich mit Laubengang, Treppenanlage und viel Grün die Fassade empor. Die Grenze zwischen Privat könnte kaum poröser sein, denn das Gebäude möchte Schmelztiegel für das Quartier sein. Hier wird gearbeitet, erholt, Sport getrieben und gewerkelt. Die Einladung gilt jeder und jedem, denn der SALOON ist Treffpunkt für alle.

WENIG EINGRIFFE, VIEL WIRKUNG

Im freiraumplanerischen Entwurf wird die Anwendung von ReUse-Prinzipien im Sinne eines ressourcenschonenden, zukunftsfähigen Städtebaus konsequent weitergeführt. Die vormals durchgehend versiegelte Asphaltfläche wird großflächig teilentsiegelt und durch extensive Begrünung, Muldenstrukturen und Versickerungsflächen in ein klimaresilientes Freiraumsystem überführt.
Der Rückbauasphalt wird als Sekundärmaterial in modellierten Aufschüttungen und Erhebungen wiederverwendet und bildet die Grundlage einer dynamischen Platztopografie zwischen Liegehügeln und integrierten Sitzelementen. Die Wegeführung erfolgt schollenartig, aufgelockert durch Platznischen mit Sitzgelegenheiten und kommunikativen Rückzugsräumen. Für deren Gestaltung kommen Klinkerpflasterflächen aus der ehemaligen Kita des PHV zum Einsatz. Pfosten alter Straßenlaternen dienen als Träger für Lichterketten und erzeugen eine warme, niederschwellige Atmosphäre, die den öffentlichen Raum auch in den Abendstunden aktiviert.

Wasser Speichern

Das Konzept folgt den Prinzipien der Schwammstadt: Regenwasser wird gezielt vor Ort zurückgehalten, in offenen Versickerungsmulden aufgenommen und zeitverzögert dem Grundwasser zugeführt. Die Klinkerpflasterflächen – wasserdurchlässig verlegt, um punktuell die Versickerungsfähigkeit zu erhöhen – unterstützen diese Funktion auch im befestigten Bereich. Zusätzlich entstehen durch die Untermuldung des Gebäudes Retentionsräume, die als temporäre Speicher bei Starkregenereignissen dienen können. So wird ein aktiver Beitrag zur Klimaanpassung im urbanen Raum geleistet – mit minimalem Materialeinsatz und maximaler Wirkung.

+ FREIRAUM IST, WAS DU DRAUS MACHST

Ein zentrales Gestaltungselement ist das ReUse-Regal – ein offenes Lager aus wiederverwendeten Klinkersteinen, das weitere PHV-Bauteile als „Baukasten“ für die Nachbarschaft bereithält. Es lädt zur Aneignung und partizipativen Gestaltung ein: Sitzmöbel oder Pflanzbehälter können selbst gebaut, vor Ort ergänzt und individuell verortet werden. Der Freiraum bleibt dadurch in stetiger Entwicklung, ermöglicht soziale Interaktion und fördert handwerkliche Selbstwirksamkeit.
Die Pergola aus rot lackierten Metallpfosten – ein wiederverwendetes Element aus dem PHV-Kita-Bestand – wird als identitätsstiftendes, begrüntes Strukturgerüst neu interpretiert. Ergänzend wird vertikale Fassadenbegrünung entlang der Laubengänge des neuen Quartiershauses und an der Parkhausfassade eingesetzt, um das Mikroklima zu verbessern und visuelle Verbindungen zwischen Architektur und Landschaft zu schaffen.

+ Offen für Alle

Der neue Quartiersplatz ist nicht exklusiv für das Spinelli-Quartier gedacht, sondern bildet eine einladende Schnittstelle zwischen der neuen Nachbarschaft und dem angrenzenden Stadtteil Feudenheim. Direkt an der Verkehrsachse Am Wingertsbuckel mit Straßenbahnhaltestelle gelegen, wird er über die öffentlich zugängliche Bäckerei mit Außensitzbereich sichtbar und niedrigschwellig aktiviert. Die Nordseite des Platzes öffnet sich zu begrünten Freiräumen mit Wegenetzen, Rückzugsorten und kleinen Platzsituationen, die zum Entdecken und Verweilen einladen. Die gesamte Platzstruktur ist bewusst offen und entwicklungsfähig angelegt: Sollte das benachbarte Geflüchtetenwohnheim künftig umgenutzt werden, lässt sich der Freiraum flexibel erweitern. So entsteht ein Ort der Bewegung und Begegnung – robust in seiner Materialität, wandelbar in seiner Nutzung und offen für die Zukunft.

+ ALLES UNTER EINEM DACH

Mit einer Bäckerei, Postshop, Radwerkstatt und Blumenladen befinden sich im Erdgeschoss die frequentiertesten Nutzungen. Darüber liegen zunächst die Gewerbeeinheiten wie ein Yoga-Studio und ein Unverpacktladen, während darüberhinaus zum obersten Geschoss die Büronutzungen mit Co-Working Bereichen überwiegen. Den Abschluss bildet der Gemeinschaftsraum mit Blick über das Quartier. Der SALOON versteht sich als inklusives und integratives Gebäude. Behindertengerechte WCs liegen sowohl im Erdgeschoss mit Bezug zum Gastraum der Bäckerei wie auch im obersten Geschoss angrenzend an den Gemeinschaftsraum, der allen Nutzenden im Haus und den Bewohnenden im Quartier zur Verfügung steht. Über den außenliegenden Aufzug ist ein behindertengerechtes WC aus jedem Geschoss erreichbar.

+ NUTZUNGSOFFENES REGAL

Besonders nachhaltig ist die nutzungsoffene Gestaltung der Grundrisse. Eine einfache Umnutzung anstelle des Abriss schont Ressourcen am effektivsten. Durch die klare Tragstruktur des Baus mittels vier gemauerter parallel gesetzter Wände entstehen drei gleichwertige längliche Räume mit einer lichten Breite von 5,60 m. Senkrecht dazu verlaufende Wände lassen je sechs Räume entstehen, die sich um einen Gebäudekern mit den andienenden Räumen gruppieren. Dieser ist so konfiguriert, das keinerlei Verkehrsräume im Gebäudeinneren entstehen. Je drei Räume sind über eine Pantryküche mit WC und Abstellraum verbunden. Bei Bedarf kann der Kern auch zweigeteilt werden um zwei Nutzungseinheiten auch im Kern organisatorisch voneinander zu trennen. Je Geschoss stehen unterschiedliche Raumgrößen in S (36m²), M (50m²) und L (60m²) zur Verfügung. Mittels regelmäßig angeordneter Verbindungstüren lassen sich so unzählige Raumbedarfe je Nutzungseinheit zusammenschalten. Wachsen und Verkleinern ist in diesem „atmenden“ Grundriss ohne aufwendige Umbauten spielend leicht realisierbar.
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+ Einfach Bauen

Was verschluckt heutzutage die meisten Ressourcen im Bauwesen? Es sind die Fundamente, die Erschließungswege und Decken. Hohe Anforderungen lasten auf diesen Bauteilen, wie zum Beispiel der Brandschutz, aber auch der Schallschutz. Dieser Entwurf kehrt diese Bauteile nach außen, reduziert damit die Anforderungen und macht sie in ihrer Form und Funktion sichtbar. In diesem Entwurf sind die Materialien die Hauptakteure, sie zeigen sich in ihrer Robustheit und Eleganz, so wie sie ursprünglich geschaffen wurden. Bauteile, die noch tragfähige Eigenschaften haben werden genutzt um neue Tragwerke zu bauen. So bilden ehemalige blaue Stützen aus Stahl einer Kindertagesstätte das neue Tragwerk der Laubengänge und sind gleichzeitig Rankgerüst.

+ Nachhaltig von Fundament bis Dach

Das Tragwerk aus wiederverwendeten grauen Ziegeln beginnt schon beim Fundament, Punktfundamente in einer Art Mulde bilden den Zwischenraum zur Durchlüftung der Holzbodenplatte. Abdichtungen und druckfeste Dämmungen mit zweifelhaften Materialien sind auf diese Weise passé. Auf Ihr ragen die Wandscheiben aus monolithischen Ziegeln empor. Die Geschosse werden mit Decken aus Holz-Lehm-Elementen unterteilt, welche rein aus den regionalen und nachwachsenden Rohstoffen, wie Lehmvorkommnissen des Odenwaldes und der Rheinebene, herstellbar sind. Zwischen den Holzträgern spannen Lehmkappendecken. Das System geht auf eine traditionelle Bauweise zurück und kann heute mit dem regional verfügbaren Rohstoffen Lehm wieder industriell hergestellt werden. Den Gebäudeabschluss bildet das Faltdach. Die hierbei verwendeten Holzbalken demonstrieren selbstbewusst, welche Tragkraft in alten Dachbalken steckt. Stehfalzdachpanele einer ehemaligen Kindertagesstätte bilden den Untergrund für das Gründach. Es leistet einen Beitrag zur Biodiversität und speichert Feuchtigkeit für ein besseres Mikroklima.

+ BAUEN MIT DEM WAS DA IST

Der Bausektor ist für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich. Eine zirkuläre Bauweise hilft dabei das schädliche Treibhausgas zu reduzieren. Zirkularität fordert jedoch eine neue Planungskultur bei der Bauteile bewusst verarbeitet werden und nur auf diese Weise eingesetzt werden, wie sie auch wieder sortenrein zum Ende des Lebenszyklus voneinander getrennt werden können. Ein Materialpass sowie der Eintrag im Materialkataster machen die im Bauwerk zwischengelagerten Bauteile für die Anschlussverwendung sichtbar. Bauteile sollten rückführbar oder zur Wiederaufbereitung an regionale Unternehmen gehen. Ob blaue Stahlträger, graue Klinkersteine und Stehfalzdächer aus einer Kindertagestätte oder Treppenstufen aus Betonsteinelementen, Holzbalken und Absperrgitter. Der SALOON macht wiederverwendete Bauteile der ehemaligen US-Kaserne im Patrick-Henry Village in Heidelberg sichtbar und erzählt dessen bewegte Geschichte weiter. Bruchmaterial bei Abbruch und Rückbau, sowie während der Prüfung wird geschreddert und für die lose Schüttung im Bodenbelag wiederverwendet. Wo nicht anders möglich kommen neue Bauteile mit höchsten Anspruch an ressourcenschonender Herstellung und Wiederverwendbarkeit zum Einsatz, wie beispielsweise bei den Holzfenstern oder der Dämmung.

+ BETRIEBSKOSTEN KOMPAKT

Flure und Erschließungsflächen sind innerhalb der gedämmten Gebäudehülle nahezu vollständig reduziert. In Kombination mit der viergeschossigen Bauweise entsteht ein äußerst kompakter Baukörper mit einem hervorragenden Verhältnis von Hüllfläche zu Volumen. Die Glasflächen wurden bewusst auf ein Minimum beschränkt – ein klarer Vorteil für den Energieverbrauch im Betrieb. Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme, die über eine Flächenheizung im Boden gleichmäßig an alle Geschosse abgegeben wird. Auf dem Dach erzeugte Elektrizität wird für den Eigenbedarf des Gebäudes genutzt.

Kunde
Realisierungswettbewerb GBG Sonderimmobilien GmbH

Kooperation
GDLA Gornik Denkel Landschaftsarchitektur

Ort
Mannheim

Jahr
2025